Holocaust-Opfer kämpfte 80 Jahre für ihr Grundstück – Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Frage der gewerblichen Weitervermietung vom 20. Januar 2016, BGH VIII ZR 311/14.
In diesem Rechtsstreit vertrat Herr Rechtsanwalt Ole Grünberg die Kläger in den Vorinstanzen. Es ging um die Frage, ob die Vorschrift des 565 BGB (gewerbliche Weitervermietung) auch dann zur Anwendung kommt, wenn es sich bei dem Zwischenmieter um eine Selbsthilfegenossenschaft der Endmieter handelt.
Der Sachverhalt:
Die Kläger sind Eigentümer eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks in Berlin-Prenzlauer Berg, welches ihre Mutter im Wege der Restitution im Jahre 1996 zurückerhielt. Bereits Ende 1991/Anfang 1992 war es zwischen der Mutter der Kläger, dem Land Berlin und der von den Hausbewohnern gegründeten Genossenschaft Selbstbau e.G. zu einem Vertragsabschluss über die Nutzung, Instandsetzung und Modernisierung des Gebäudes gekommen. Danach erhielt die Genossenschaft öffentliche Zuschüsse in Höhe von ca. 4 Millionen DM zur Sanierung des Gebäudes. Während der Nutzungsdauer von 20 Jahren war die Genossenschaft berechtigt, die Wohnungen an ihre Mitglieder weiterzuvermieten. Die Mieten für die zwischen 53 qm und 159 qm großen Wohnungen lagen zwischen € 1,80 – € 2,86 pro m². Nach Beendigung des Zwischenmietverhältnisses war die Genossenschaft berechtigt, diejenigen Bewohner zu benennen, mit denen die Eigentümer Mietverträge zur ortsüblichen Vergleichsmiete abzuschließen hatten. Die negative Feststellungsklage richtete sich gegen diejenigen Bewohner, die keine Mietverträge zur ortsüblichen Vergleichsmiete abschließen wollten, sondern sich darauf beriefen, dass ihre Mietverhältnisse gem. § 565 Abs. 1 BGB auf die Kläger übergegangen seien.
Entscheidung:
Der VIII. Zivilsenat des BGH hob die Urteile der Vorinstanzen (u.a. LG Berlin – Urt. v. 2. Oktober 2014 – 67 S 413/14 -) auf und stellte fest, dass mietvertragliche Bindungen zwischen den Parteien nicht bestehen.
Der Regelungszweck des § 565 Abs. 1 BGB ziele nicht darauf ab, den Schutz des Mieters generell auf Fälle einer Weitervermietung durch den Hauptmieter auszudehnen, sondern nur auf bestimmte Sachverhalte, die dadurch gekennzeichnet sind, dass der Eigentümer im eigenen Interesse und zum Zwecke des Anbietens der Wohnung auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt zu üblichen Bedingungen einen Zwischenmieter einschaltet, der mit der Weitervermietung wiederum eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt. In einem solchen Fall stellt § 565 BGB den Endmieter bei Beendigung des Hauptmietvertrages so, als hätte er die Wohnung direkt vom Vermieter angemietet und gewährt ihm damit insbesondere auch den sozialen Kündigungsschutz.
Hier verfolge der Zwischenmieter mit der Weitervermietung jedoch gemeinnützige, karitative oder ähnliche Zwecke, namentlich in Gestalt der Wahrnehmung der Interessen der eigenen Mitglieder. In einem solchen Fall erfolge der Zwischenvermietung vor allem im Interesse des Endmieters, so dass kein weiteres Schutzbedürfnis der Endmieter bestehe.
Die Weitervermietung diene damit nicht der Gewinnerzielung oder sonst einem eigenen wirtschaftlichen Interesse der Genossenschaft, sondern vielmehr dem Interesse der Bewohner des Gebäudes und der Verwirklichung eines Sanierungskonzeptes, das zwischen den Interessen der zu restituierenden Eigentümer und der bisherigen Nutzer einen Ausgleich unter Zuhilfenahme öffentlicher Fördergelder herbeiführen sollte. Die Genossenschaft habe bei Abschluss des Hauptmietvertrages dafür gesorgt, dass der Wohnraum den bisherigen Nutzern erhalten blieb und diese in der besonderen Situation nach der Wiedervereinigung Mietverträge zu einer ungewöhnlich niedrigen Miete erhielten. Zugleich hat sie Vorsorge dafür getroffen, dass die bisherigen Nutzer auch nach Beendigung des Hauptmietvertrages zu ortsüblichen Bedingungen in den Wohnungen hätten bleiben können.
Bei dieser Sachlage komme weder eine direkte noch eine analoge Anwendung des § 565 BGB in Betracht.
Praxishinweis:
Die Möglichkeit einer Räumungsklage beseitigte das Feststellungsinteresse in diesem Fall übrigens nicht, weil die Räumungsklage den gesamten Streitstoff der Parteien nicht erledigt hätte. Denn bei Nichtbestehen von Mietverhältnissen stehen den Klägern Ansprüche auf Nutzungsentschädigung in beträchtlicher Höhe seit Beendigung des Zwischenmietverhältnisses bis zum jeweiligen Räumungszeitpunkt zu, die noch nicht zu beziffern waren. Der BGH schränkte den Anwendungsbereich, wie schon mit Senatsurteil vom 3. Juli 1996 – VIII ZR 278/95-, weiter ein und nahm auch zum Schutzzweck des § 565 Abs. 1 BGB und zur historischen Entstehung der Norm Stellung, die im Ergebnis zu einer Begrenzung der Anwendungsfälle führen.
Das Tatbestandsmerkmal der Gewerblichkeit lag hier deshalb nicht vor, weil dieses nicht an der Tätigkeit des Zwischenmieters, seines wie auch immer gearteten Auftritts nach außen oder gar seiner Rechtsform oder Satzung, so noch das KG, Urt. v. 23.08.2012, – 8 U 22/12 ,-festzumachen ist. Auch kommt es z.B. nicht darauf an, ob die Wohnungen in der Summe für einen höheren Preis weitervermietet werden, als das Entgelt für die Zwischenmiete ausmacht.
Vielmehr – und das betonte der BGH in der mündlichem Verhandlung besonders – kommt es allein auf den sich aus dem Zwischenmietvertrag zu ermittelnden Vertragszweck an.
Aus der Gesamtschau der aus dem Vertrag ersichtlichen Bestimmungen und Interessenlagen ergab sich, dass der Zwischenmietvertrag nicht in erster Linie die Gewinnerzielung durch die Weitervermietung von Wohnraum bezweckte.
RA und FA für Miet- und WEG-Recht
Ole Grünberg, Berlin